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2022
Rückblick

Warum nicht (?)
-das FAQ Bregenzerwald 2022 Revue passieren lassen?


Antworten und Fragen aus der Sicht einer Erstbesucherin

„Das FAQ hat die Aufgabe übernommen, Menschen zusammenzubringen, die sonst nicht unbedingt zusammenkommen würden“, so die Worte von Autor, Kolumnist und Verleger Christian Seiler in seiner Eröffnungsrede zum mittlerweile siebten Forum mit Festivalcharakter und kulinarischem Anspruch. Der Satz von Seiler – auch diesmal war er wieder als Moderator und langjähriger Stammgast des FAQ Bregenzerwald dabei – blieb hängen. Und war nur einer von einer ganzen Reihe an wunderbaren Sätzen über die Essenz der Veranstaltung, die bereits am ersten Abend fielen. Auch war die Rede davon, wie erkenntnisreich Begegnungen wie jene, die beim FAQ stattfinden, sein können. Wie wertvoll es ist, ausreichend Zeit zu haben, um Argumente auszulegen oder anderen beim Denken zuzusehen. Um Zusammenhänge und Neues zu verstehen, Altes zu überdenken oder auch mal den Kopf zu schütteln.  Wie elementar für das Gemeinwohl die persönliche Auseinandersetzung ist und wie wichtig Orte sind, an denen diese stattfinden kann.

Diese Orte und diese Zeiten für Auseinandersetzung und Begegnungen ermöglichte das siebte FAQ an ganzen sieben Tagen. Bei 29 Events mit 61 Akteur:innen in 17 Locations, bei denen nicht nur diese Gedanken der Eröffnungsfeier, sondern auch sehr viele andere Erkenntnisse hängenblieben oder dazukamen. Bei Gesprächen, Lesungen, Konzerten, Workshops, Rundgängen, kulinarischen und weiteren Events, oder auch einfach auf den Wegen von einer ungewöhnlichen Location zur nächsten. An Orten, die genauso wie die besprochenen Themen, die gehörte Musik, das feine Essen etwas mit einem machen. Das ergab in Summe ganz schön viele Eindrücke auf einmal. Besonders wenn man als eine Person, die zum ersten Mal Gast beim FAQ war, gar zum ersten Mal im Leben den Bregenzerwald besucht, den Rückblick schreibt. Aber – um die diesjährige Ausgangsfrage des FAQ heranzuziehen – warum nicht so viel wie möglich aufsaugen, in einem drin mitnehmen, weiterwirken lassen?

Warum nicht miteinander und füreinander?

Die Leichtigkeit, mit der die Veranstaltungstage einhergegangen sind, schien das Aufsaugen des Erlebten durchaus einfach zu machen. „Warum nicht?“ – die diesjährige große Frage könnte man immerhin auch als Grundfrage des FAQ im Ganzen verstehen. Eine Frage nach Offenheit als Attitüde, das passt gut zu einem Forum, das von Fragen statt von Thesen ausgeht. Und diesmal eben von einer, die einen gewissen Optimismus in sich trägt. Die trotz der Schwere, die dieses Krieg- und Krisenjahr mit sich gebracht hat, zum Umdenken und Handeln motiviert. Und die an allen FAQ-Tagen bei den Teilnehmenden zu unzähligen Ideen, möglichen Antworten und weiteren Fragen führte. Und so bis zum Schluss der Gedanke des Eröffnungsabends weiterwuchs: dass das Aufeinanderzugehen, das gemeinsame Ins-Gespräch-kommen wichtiger denn je sein mag.

Wir können nur etwas bewegen, wenn wir uns bewegen."

Dunya Hayali


Auch 2022 sind Menschen zusammengekommen, die die Welt ein Stück besser machen wollen. Indem sie sich mit hochaktuellen Fragen unserer Zeit und mit zeitlos wichtigen Fragen beschäftigten:  Warum nicht über digitale Rechte, Kriegsberichterstattung und Diversität ebenso nachdenken wie ganz elementar über Wahrheit und Mut zum Wandel? Die Menschen des FAQ 2022 haben diese Themen und andere aufgeworfen, weiter gefragt, Querverbindungen gesucht. Ob bei der Lesung des Berliner Schriftstellers Daniel Schreiber, der sich beim Schreiben gerne unbequeme Fragen stellt: In diesem Fall zum Zuhause als inneren und äußeren Ort, an dem man beständig arbeiten muss.  Welcher Ort wäre für die Lesung passender gewesen als der behagliche Stadl der Familie Geser, wo sich vom ersten Moment an ein heimeliges Gefühl einstellte? Ob im Werkraumhaus in Andelsbuch, wo es erneut darum ging, unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven zu hören – die eines Bürgermeisters, einer Biologin, einer Architektin, eines Landwirts – und vom konkreten Thema „Platz für alle“ ausgehend in die Tiefe zu graben. Warum nicht gerade hier, an diesem zentralen Ort der Bregenzerwälder Bau- und Handwerkskultur, von einem gemeinsamen regionalen Nenner, dem Boden, auf die großen Themenkreise und Krisen der Welt kommen? Solche Verbindungen passieren beim FAQ da und dort, durch die tolle Landschaft, die einmaligen Orte, die Menschen, die zusammenkommen.

Aber es ging beim FAQ auch 2022 nicht nur um die Begegnung im Diskurs, sondern ganz grundlegend um einzigartige Momente der Verbundenheit mit anderen – auch bei andersartigen Formaten: Am Tisch bei kulinarischen Besonderheiten, bei Konzerten unter freiem Himmel, beim vormittäglichen Eisbaden oder beim Filmabend im warmen Stadl. Als Anna Mabo in ihren Liedern davon sang, dass wir alle noch am Werden sind. Als sich während des Auftrittes der Steaming Satellites auf der Tanzfläche Gäste von da und dort begegneten. Als Akteur:innen neben Besucher:innen unter Bäumen saßen und Schulter an Schulter herzhaft in außergewöhnliche Burger vom Bregenzer Restaurant Weiss bissen, während die Herbstsonne strahlte.

Ich hoffe, dass die Lesenden sich diejenigen Fragen, die so schwer zu stellen sind, dann selbst stellen."

Daniel Schreiber

Ein Moment am Morgen des letzten Tages: Quer über den Boden des kleinen Dorfsaals Schwarzenberg verstreut liegen Menschen auf Yogamatten, atmen tief ein, halten inne, atmen wieder aus. Sollen nicht nachdenken, lassen sich vom Osteopathen und Physiotherapeuten Philipp Punzenberger, begleitet von Livemusik von Philipp Lingg, in tranceartige Zustände leiten. „High on your own supply“, diese Aktivierung für ein besseres Körperempfindens nach der Wim-Hof-Methode, war im selben Raum, in dem am Tag zuvor ein Talk mit Autorin Franziska Schutzbach über „die Erschöpfung der Frauen“ in einer von Männern dominierten Gesellschaftsstruktur stattgefunden hatte. Ein harter Gegensatz zu diesem sachlichen Diskursprogramm war es aber nicht. Warum nicht bewusster atmen, um dann auch bewusster durchs Leben zu gehen – ganz gleich, bei welchen Lebensfragen?

„Schreiben findet im Kopf statt“, sagte Michael Köhlmeier dann auch bei einem Gespräch über seine Schriftstellerei und die seiner Frau Monika Helfer. Auch die vielen Formate des FAQ, die kein Sprechen benötigten, haben sich im Kopf abgespeichert und werden ja vielleicht später Diskurse auslösen. Nach dem Ende der FAQ-Tage bleiben jedenfalls zweifellos: Viele Puzzleteile aus Eindrücken, die nachwirken – vom bunten Haufen an begeisterten und begeisternden Menschen und von all den schönen Emotionen und lebendigen, neugierigen Gedanken, die in diesem Freiraum möglich waren. Von dem wir im Idealfall alle etwas in unseren Alltag mitnehmen und in die Welt hinaustragen, egal wie nah oder fern uns das FAQ und seine Gäste zuvor waren. Beim FAQ kam schließlich auch das sonst oft weit Entfernte nah an einen ran: Wenn etwa der in der Türkei verfolgte und im Berliner Exil lebende Journalist Can Dündar betonte, dass wir durch globale Solidarität die Meinungsfreiheit aller Menschen verteidigen können und dabei im Bregenzerwald klar wurde, dass uns das alle angeht, auch in den kleinen Ecken der Welt. Im gleichen Sinn ergänzte auch der Arzt Siegfried Meryn bei einer anderen Veranstaltung die diesjährige Ausgangsfrage noch um ein Wort: „Warum nicht miteinander?“

Programm 2022

Katrin Eigendorf im Gespräch mit Claus Kleber beim FAQ Bregenzerwald 2022

Hinschauen und zuhören – auch wenn heftig und leidvoll ist, was einem begegnet und heikel, wie man davon erzählt. Dafür hat sich die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf entschieden, die von den Konfliktherden der Welt berichtet. Seit Februar 2022 auch aus der Ukraine. Nicht aus distanzierter Ferne, sondern von Mittendrin. Die Krisen- und Kriegsreporterin will dort sein, wo etwas in Bewegung gerät. Und glaubt an die Macht der Menschen, die Welt gestalten und verändern zu können. Mit ihrem langjährigen TV-Weggefährten Claus Kleber spricht sie über den Umgang mit Krisen: Gibt es objektive Berichterstattung? Wie lässt man Raum, sich selbst eine Meinung zu bilden? Wie begegnet man Desinformation und Inszenierung? Und sind wir nicht alle mitverantwortlich und müssen die Krisen anpacken?

„Wir müssen Krisen anpacken und an die Macht glauben, die Welt gestalten zu können.“
Katrin Eigendorf
„Warum nicht trotz aller Krisen optimistisch sein?“
Claus Kleber
„Die große Herausforderung ist jetzt, zu sehen, dass man für Wohlstand, Freiheit, Menschenrecht eeintreten muss“.
Katrin Eigendorf

Warum nicht einfach die Wahrheit sagen?

„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, schrieb Ingeborg Bachmann. Gilt das auch heute, wenn ganz viele verschiedene Wahrheiten behauptet werden? Alexandra Föderl-Schmid moderiert ein Gespräch zu hochaktuellen und schwierigen Fragen zu Fakes und Fakten. Dabei treffen mit der Historikerin Marion Wisinger, die für Menschenrechte arbeitet und politische Bildung betreibt, dem Journalisten und Dokumentarfilmer Claus Kleber und Deutsche-Bank-Konzernsprecher Jörg Eigendorf nicht nur drei spannende Persönlichkeiten in der Diskussion aufeinander, sondern auch aufschlussreiche Aussagen. Und eine Anregung wird auch mitgegeben: Warum nicht mehr Fragen stellen, statt immer auf der eigenen Meinung zu beharren?

„Zwischen Wahrheit und Lüge gibt es viele Grauzonen.“
Jörg Eigendorf
„Beim Würstelstand, im Freundeskreis: Wenn es zu politischen Themen kommt, werfen wir uns rein, argumentieren wir!“
Marion Wisinger
„Es hilft, Fragen zu stellen! Es müsste alles mit einem Fragezeichen enden.“
Claus Kleber
„Die Wahrheit ist ein Kind ihrer Zeit.“
Marion Wisinger
„Wahrheit ist recherchierbar. Für Journalist:innen ist es Schuldigkeit und Pflicht, den Dingen nachzugehen.“
Claus Kleber
„Wahrheit kann auch verletzend und schwierig sein.“
Jörg Eigendorf

Warum nicht anders?

Kommt ein Mann zum Arzt und sagt: „Herr Doktor sie müssen mir helfen. Mein Bruder glaubt, er sei ein Huhn!“ Der Arzt bittet, den Bruder zur Beobachtung vorbeizubringen. Der Mann antwortet: „Das geht nicht, ich brauche doch die Eier!“ Diese Anekdote von Woody Allen steht hier nicht nur, um mal zu lachen. Wolf Lotter bezieht sich auf sie, um über den Umgang mit Transformation zu sprechen, zu dem neben Selbstverantwortung auch die Erkenntnis gehört, dass wir ständig glauben etwas zu brauchen, das wir gar nicht benötigen. Der Schreiber, Denker und Experte für Themen rund um Transformation und Innovation fragt mit Kami Krista, dem jungen Gründer und CEO des Climate-Tech-Startups Elio, nach Wegen zur Nachhaltigkeit – und Andersartigkeit als Ressource. Warum nicht selbst aktiv den Wandel unserer Welt anstoßen, wenn er sowieso stattfinden muss? Ist anders sein und tun nicht großartig?

„Wir glauben, Routinen oder Normen zu brauchen, die wir nicht benötigen. “
Wolf Lotter
„Jede:r ist andersartig. Wir müssen unsere eigene Andersartigkeit anerkennen, bevor wir Empathie zeigen können.“
Kami Krista
„Der Begriff Utopie führt bei Transformation in die Irre. Wir müssen jetzt etwas machen.“
Wolf Lotter
„Ich wünsche euch allen, dass ihr euch mit eurer eigenen positiven Andersartigkeit befasst und sie auch lebt.“
Kami Krista
„Das Schlimmste ist, dass wir das, was wir für normal halten, auch für unabänderlich halten.“
Wolf Lotter

Akustisches Tagebuch

Wie ist es, im Bregenzerwald zu leben? Was sehe ich, wenn ich hinter die Fassaden blicke? Zwei der Fragen, die sich B.Fleischmann in seinem akustischen Tagebuch zum Festival selbst gestellt hat. Beim FAQ Bregenzerwald 2022 war der Musiker nicht nur live auf der Bühne zu erleben, er baute auch Installationen als kleine Irritationen ins Festivalgeschehen ein und war auch selbst als Besucher von Ort zu Ort und von Event zu Event unterwegs, um Zusammenhänge zu beobachten, mit Einheimischen und Publikum zu sprechen – und nachzufragen, warum manches so oder anders ist. Sein Hörtagebuch aus der Sicht eines Besuchers in fünf Tagesepisoden gibt es hier als Podcast zum Nachhören.

Viele weitere Gespräche mit so einigen Akteur:innen erscheinen übrigens noch in unserem Podcast, wo es heißt: Wir haben die Fragen.

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Akteur:innen