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Milena Broger
Milena kocht

Sie gart rohe Hirschschlögel in selbst gegrabenen Erdlöchern. Herzen und Nieren von Wildschweinen und Fasanen verwandelt sie in mehrgängige Menüs. Sie liebt es zu experimentieren und lässt sich am liebsten von ihrer Intuition leiten. Milena Broger, Jungköchin aus Vorarlberg, ist gerade dabei, die kulinarische Welt zu erobern.

Tag 4 des FAQ Bregenzerwald, Gasthaus Jöslar: Milena hat soeben gemeinsam mit Koch Christoph Fink sechzig Menschen mit Vier-Gänge-Menüs bekocht. Ihr Part ist nun vorbei, sie darf Glückwünsche entgegennehmen: „Milena, das Beuschel, unglaublich!“ oder „Wie hast du die Knödel so hingekriegt“? Grundsätzlich mag Milena Reaktionen wie „Wow, das ist interessant“ oder „Ist zwar nicht mein Geschmack, aber war cool zu probieren“ am liebsten, gerade wenn sie neue Dinge probiert. „’Gut war’s’ – das ist mir zu wenig“, so die 24-jährige Vorarlbergerin.

Ich hab mich zerrissen gefühlt und dachte mir: Du musst dich entscheiden…

Angefangen hat alles vor ungefähr zwölf Jahren mit einem Kochbuch von Haubenköchin Johanna Maier. „Das schöne Essen auf den Bildern hat mich fasziniert“, sagt Milena. Diese Faszination sollte sie nicht loslassen. Sie kochte für Familie, Freunde und neben dem Studium (zwei Semester Jus, zwei Semester Kunstgeschichte), das sie bald aufgeben sollte: „Ich hab mich zerrissen gefühlt und dachte mir: Du musst dich entscheiden,“ erzählt Milena. Sie entschied sich für das, was ihre Intuition sagte. Und der folgt sie noch immer – ob nach Tokio, auf eine dänische Insel oder zu Veranstaltungen wie der Feldküche oder dem FAQ Bregenzerwald, wo sie ohne Strom und Gas Wildtiere verarbeitet oder Waldameisen frittiert, die dann auch von Vegetariern gegessen werden. 

Tokio und Kyoto, Toskana und eine Insel in Dänemark:

Das waren bisher die Auslandsstationen der 24-jährigen Bregenzerwälderin. In Japan lernt sie innere Ruhe, Schneiden im Takt und Disziplin. Sie erfährt, was es bedeutet im Moment zu bleiben, wie wichtig es ist, Perfektion als Anspruch zu sehen und wie sich Chaos durch strukturiertes Arbeiten vermeiden lässt: „Ein Japaner will nie vor einem Problem stehen, er plant alles durch und dadurch läuft es in der Küche sehr ruhig ab,“ erzählt Milena. „Deshalb ist Tokio für mich eine stille Stadt, viel stiller als der Bregenzerwald.“ Auf der dänischen Insel Bornholm arbeitet sie im Kadeau, „ein verrücktes Lokal von ganz jungen Köchen, die den Geschmack ihrer Insel konzentriert auf den Teller bringen wollen“. Das ganze Team, bunt durchgemischt aus allen Ecken der Welt, wohnt gemeinsam am Bauernhof und arbeitet Tag für Tag im Strandlokal, „das waren zwei Monate geballte Leidenschaft fürs Kochen“, sagt Milena. In der Toskana, im Val de Cecina, lernt sie, Fleisch zu verarbeiten, „vom Aus-der-Decke-Nehmen des Tieres bis zum Feder-Rupfen“. Sie macht sich mit der Anatomie von Fasanen und Wildschweinen vertraut und verwandelt ihre Organe in Abendessen. Sie arbeitet überhaupt sehr gerne mit Fleisch, „das kommt wahrscheinlich daher, dass meine Urgroßeltern Metzger waren“, wie sie erzählt.

Milena probiert sich aus.

Sich festzulegen liegt ihr fern, einem Kochstil will sie sich nicht verschreiben. Ihr Anliegen ist es, sich auf den Eigengeschmack zu konzentrieren und „die puren Geschmäcker der Zutaten möglichst stark herauszuholen.“ Sie liebt es, zu improvisieren und sich herauszufordern. „Ich will die Komfortzone verlassen, raus aus der Küche gehen. Weil dann musst du dich mehr auf deine Hände verlassen und auf das, was du gelernt hast,“ sagt Milena. Dabei greift sie gerne auf das zurück, was da ist, wie zum Beispiel bei der Feldküche, jenem Event, das an ungewöhnlichen Orten in der Natur kulinarische Erlebnisse inszeniert. „Die Hirschschlögel im Erdloch waren völlig ungeplant. Eigentlich wollten wir nur Rüben garen, aber dann hat mein Bruder ein Riesen-Erdloch gegraben und wir dachten uns, wir probieren es mal aus,“ erzählt Milena. Die Gäste liebten die in Zirbenzweigen eingewickelten Hirschschlögeln. Und Milena liebt es, wenn ihre Ideen funktionieren und ankommen.

Ich will die Komfortzone verlassen, raus aus der Küche gehen.

Damit ihre Ideen und Vorstellungen auch gut werden, arbeitet sie konsequent an sich selbst: „Ich glaube, wenn man das Gefühl hat, man kann alles, ist es vorbei,“ so Milena. Die nächste Station? „Zwei Monate Taiwan. Und dann bin ich in der Wintersaison im Klösterle in Lech, einem kleinen Wirtshaus, das nur Sachen verkocht, die’s früher gegeben hat.“ Gespür und Intuition hat sie im Übermaß – wahrscheinlich weil sie immer ihrer Leidenschaft gefolgt ist und um deren Wichtigkeit weiß: „Für mich ist jeder ein Vorbild, der mit Liebe und Leidenschaft kocht,“ sagt sie. „Das kann sowohl ein Profikoch sein als auch ein Kind, das Freude hat, wenn’s was in den Händen hält, das gut riecht.“

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm // Friendship.is

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