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Franz & Peter Fetz
Will ich wie mein Vater werden?

Familieninterne Betriebsübergaben sind eine Herausforderung, besonders wenn die elterliche Generation den Betrieb so geprägt hat wie Franz Fetz das Kunsthotel Hirschen in Schwarzenberg. Am 1. November übernimmt sein Sohn Peter. Ein Gespräch darüber, was Generationen voneinander lernen können, warum man den Vater nicht rausjagen, er aber auch nicht dauernd herumschleichen sollte, und ob man sich heute noch existenzielle Fragen stellt.

Franz, nach 42 Jahren übergibst du den Familienbetrieb an deinen Sohn. Geht damit auch ein Wunsch in Erfüllung?

Franz: Ich habe meinen Kindern nie Druck gemacht, aber natürlich haben sie gewusst, dass es mich freuen würde. Peter hat nach der Hotelfachschule an verschiedenen Orten gelebt und gearbeitet, mit 25 hat er erstmals durchklingen lassen, dass er es sich vorstellen könnte. In dem Alter erfolgt oft ein Entwicklungsschub. Meiner Einschätzung nach macht es keinen Sinn, mit Kindern über eine Nachfolge zu reden, wenn sie jünger als 25 sind.

Ihr habt beide zuerst in anderen Betrieben im In- und Ausland gearbeitet. Wie wichtig ist das?

Franz: Ohne Reisen kannst du alles vergessen. Ich war immer offen für Neues, bin wirklich keine „Heimkuh“, aber die neue Generation hat natürlich noch viel mehr Möglichkeiten. Flüge kosten heute nichts mehr, es gibt Airbnb etc. Das gab es bei uns nicht.

Peter: Wenn einer immer nur im elterlichen Betrieb arbeitet, leidet die Innovationsfähigkeit sehr stark. Innovative Ideen durchzusetzen ist natürlich in einem Traditionsbetrieb besonders herausfordernd, denn viele Leute haben eine genaue Vorstellung, was sie erwartet. Das ist gut, weil das Haus zu einem Klassiker wird, aber erkaltete Klassiker sterben auch. Man muss schauen, dass man sexy bleibt. (lacht) Und da hilft es, wenn man verschiedenste Erfahrungen gesammelt hat.

Franz ist der „Patron“ des Hirschen, das Haus ist sein Lebenswerk. Wie viel Platz ist da für neue Ideen?

Peter: Darüber denke ich sehr viel nach. Ich könnte es mir einfach machen, nicht viel verändern und möglichst viel weiterlaufen lassen. Aber ich weiß, dass mir das nicht dauerhaft Freude bereiten würde. Mir ist es wichtig, auch meine Ideen umzusetzen. Ich will nicht nur der Ersatz für meinen Vater werden.

Peter, du bist 27, Franz, du wirst 72. Was können die Generationen voneinander lernen?

Franz: Durch die Kinder sieht man sehr viele Möglichkeiten. Beispielsweise bin ich so auch in das digitale Zeitalter irgendwie reingestolpert. Ich werde kein Experte mehr, aber die Standards beherrsche ich auch. Das ist durch die Kinder mitgewachsen. Ohne Kinder würde ich mich mit vielen Dingen gar nicht mehr beschäftigen.

Peter: Was man mit Technologie aber nicht schafft und von der älteren Generation lernen kann: So ein Haus braucht eine Identität, der Name muss mit einer Vorstellung verbunden sein. Dafür braucht man Konsistenz und darf nicht zu sprunghaft sein. Da ist es manchmal notwendig, die Euphorie der Jungen zu bremsen. Zudem muss man auch mal irrationale Dinge machen, die vielleicht kein Geld bringen, aber ein Image. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen.

Ohne Kinder würde ich mich mit vielen Dingen gar nicht mehr beschäftigen.

Hattet ihr immer ein gutes Verhältnis?

Peter: Ja, absolut. Auch wenn er nicht unbedingt ein Kindernarr war. Ich habe, glaube ich, schon mit fünf Jahren bemerkt, dass er nicht recht weiß, was er tun soll, wenn ich mal rumschreie oder weine. (lacht) Aber er hat mich immer unterstützt.

Ist das eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Übergabe?

Franz: Ohne Harmonie geht das nicht, zumindest nicht ohne externe Hilfe. Zudem muss der Betrieb gesund sein. Ich finde es blauäugig, wenn einer einen Betrieb übergibt, der ein negatives Eigenkapital hat, und sich denkt: „Ja, vielleicht geht es sich noch ein paar Jahre aus.“

Peter: Aber die finanziellen Voraussetzungen sind nicht alles. Mein Vater hat 42 Jahre lang vieles gemacht und ausprobiert. Wenn dann die Jungen kommen, kann es natürlich sein, dass die Älteren bei manchen Ideen sagen: „Das habe ich vor 20 Jahren schon probiert, das klappt nicht, lass es.“ Das ist die größte Gefahr, die ich sehe.

Konfliktpotenzial ist also vorhanden?

Peter: Der „Hirschen“ war das Lebenswerk meines Vaters. Wenn man so etwas in andere Hände gibt, will man es in guten Händen wissen. Das Konfliktpotenzial ist riesig, vor allem wenn man Dinge nicht genau regelt.

Wird es dir schwerfallen, dich rauszuhalten?

Franz: Ich freue mich aufs Reisen und auf viele Dinge, auf die ich mein Leben lang verzichten musste. Insgesamt glaube ich, dass ich kein Problem damit habe, mich rauszunehmen, aber es wird nach wie vor Gäste geben, die es schätzen, wenn ich da bin. Aber ich bin froh, wenn ich nicht mehr immer da sein muss.

Peter: Ich bin auch keiner, der ihn rausjagen will. Es ist gut, wenn es jemanden gibt, den man um Hilfe fragen kann. Aber erfolgreich kann man nur sein, wenn sich die scheidende Generation nicht zu stark einmischt, denn mit ständigen Interventionen untergräbt man die Autorität des Nachfolgers. Da braucht es sehr viel Feingefühl.

Ich bin auch keiner, der ihn rausjagen will.

Franz, welche Fragen hast du dir bei deiner Übernahme 1975 gestellt? Und Peter: Welche stellst du dir heute?

Franz: Damals hat es geheißen: Ein Betrieb mit weniger als 100 Betten ist nicht überlebensfähig. Ich war mit existenziellen Fragen konfrontiert: Kann es so noch weitergehen? Haben wir noch genug Geld? Schaffen wir diese Saison überhaupt?

Peter: Existenzielle Fragen sind es heute nicht mehr. Wenn ich alles falsch mache, lande ich trotzdem nicht auf der Straße – zumindest, wenn ich es früh genug merke. Mich beschäftigen Fragen wie: Wie wird es sein, wieder in Schwarzenberg zu leben, nach vielen Jahren in großen Städten? Als ich mich mit 14 Jahren für gutes Essen und Wein interessiert habe, hat mich hier niemand verstanden. Wird man mich jetzt besser verstehen? Wie wird sich die Aufgabe auf mein Privatleben auswirken?

Siehst du dich in einer komfortableren Position als dein Vater damals?

Peter: Finanziell schon. Aber Druck kommt von einer anderen Richtung: Es ist eine große Verantwortung. Man kann nicht sagen: „Ich übernehme einen Betrieb in zehnter Generation, aber hey, no pressure!“

Text: Matthias Köb // Friendship.is
Fotos: Lukas Hämmerle // Friendship.is

Das Interview ist im Rahmen unserer Kooperation mit dem Magazin „B’sundrig“ von Sutterlüty entstanden. Der Artikel erschien erstmalig in der „B’sundrig“-Ausgabe Mai/Juni/Juli 2017.

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