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Doris Knecht
Wieviel Landkind steckt in Doris Knecht?

Die Königin der Kolumne erzählt über das Großwerden am Land, Schnapstrinken auf der Veranda und die Flucht in die Stadt. Heute lebt sie mit ihrer Familie sowohl in Wien als auch in einem alten Haus im Waldviertel, wo sie den Wald immer mehr zu schätzen weiß.

Du bist in Vorarlberg groß geworden. Wie hast du deine Kindheit in Erinnerung?

Meine Eltern habe ich damals als ziemliche Spießbürger empfunden, aber vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet waren sie schon auch irgendwie Hippies. Sie stammen aus ärmlichen Verhältnissen, haben sehr jung Kinder gekriegt und geheiratet. Und sie hatten ein kleines Grundstück in Rankweil geerbt. Es lag komischerweise in einer reichen Gegend und man konnte gar nicht so schnell schauen, wie die Nachbarn ihre Zäune hochgezogen haben. Aber meine Eltern sind sehr offene, freundliche und höfliche Leute und haben es geschafft, den Großteil der Nachbarschaft für sich einzunehmen. Mithilfe eines jungen Architekten, Rudolf Jäger, der damals mit Holzbauarchitektur für Familien sehr günstige Häuser gebaut hatte, bauten sie ein bungalowartiges Haus, das wie ein Kindergarten aussah. Es ist sehr offen und hell und hat eine große Veranda, und heute wie damals ist immer jemand da, weil meine Mutter so gern Gesellschaft hat. Als Kind war es schon toll, so aufzuwachsen, aber mir wurde es auch irgendwann zu eng in dieser Idylle. 

Und dann bist du nach Wien. Ein Befreiungsschlag?

Ich lebe jetzt seit 33 Jahren in Wien und hatte nie das Bedürfnis, zurückzugehen. Das „ghörig si“ und „ghörig tua“, das In-die-Kirche-gehen und Immer-schön-angezogen-sein engten mich ein und deshalb bin ich mit 19 nach Wien gegangen. Ich wollte in die Anonymität und in die Kultur.

Heute verbindest du Stadt und Land. Du lebst noch immer in Wien, aber hast auch ein Haus im Waldviertel.

Bevor ich Kinder bekommen habe, hatte ich nie den Wunsch nach etwas Grünem, aber die Spielplätze in Wien – das war für mich das Schlimmste. Und dann ist etwas Lustiges passiert: wir hatten eine Art Stammtisch in der damaligen Blue Box – lauter Leute, die miteinander erwachsen geworden sind. Und dann hat ein Paar ein Kind gekriegt, und im nächsten Jahr haben fünf Paare Kinder gekriegt. Das war toll, denn so konnten wir gemeinsam schön verspießern. Einer aus der Truppe hatte ein Haus im Waldviertel, und wir waren oft dort. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass in der Nähe ein Haus leer steht. Und ich habe die Besitzer so lange angerufen, bis sie es mir verkauft haben. Und jedes Mal, wenn ein Haus leersteht, spazieren wir mit unseren Freunden so lange daran vorbei, bis einer es kauft. Wir haben uns fast schon eine kleine Kolonie geschaffen.

Hilft die Natur bei kreativen Prozessen – beispielsweise beim Schreiben?

Je älter ich werde, desto mehr interessiert mich die Natur und umso dringender brauche ich sie. Ich gehe irrsinnig gern und ich kann gut denken beim Gehen, am liebsten renne ich rein in den Wald und am Fluss entlang. Ich habe im Sommer mein Buch (Anm.: „weg“) fertig geschrieben und es war super, draußen zu sein und Ruhe zu haben. Andererseits hast du immer Arbeit, wenn du ein Haus hast, und als Vorarlbergerin muss ich das immer gleich erledigen. Den letzten Teil des letzten Buchs habe ich in meinem Wohnzimmer in Wien geschrieben, weil da außer Wäsche waschen nicht viel zu tun ist.

Brauchst du als Futter für deine Kolumnen nicht die Stadt?

Nicht unbedingt, denn jetzt gehe ich ja auch nicht mehr so aus wie früher. Mein Futter kommt eher aus den Internet, aus Social Media und von den Leuten, die ich treffe, und den Gesprächen, die ich mit ihnen führe.

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm // Friendship.is

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