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Josef Rupp
Wer will noch am Land leben?

Es ist ein Problem, das viele Unternehmen in ländlichen Gebieten betrifft: Talentierte junge Menschen zieht es vermehrt in die Stadt. Was man dagegen tun kann? Beispielsweise die Alpwirtschaft pflegen – sagt Josef Rupp, Geschäftsführer der Privatkäserei Rupp. Wie das zusammenhängt, welchen „Joker“ Vorarlberg hat und warum er kein Käsegraf ist, erklärt er im Interview.

Herr Rupp, Sie betonen immer wieder, dass gute Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens sind. In einem Interview haben Sie aber auch gemeint, dass mittlerweile die größte Herausforderung darin besteht, im ländlichen Raum junge Talente zu finden. Muss man sich um den Erfolg der Vorarlberger Unternehmen Sorgen machen?

Die größte vielleicht nicht, aber es ist definitiv eine Herausforderung. Viele junge Leute wollen in die Stadt. Früher war das in erster Linie Wien, heute zieht es sie vielfach auch nach London oder Berlin, eben dorthin, wo viele Start-ups und Technologieunternehmen sitzen. Deshalb engagieren wir uns sehr stark im Hinblick auf die Erhaltung der Alpwirtschaft. Das ist ein Beitrag, um junge Talente im Land zu behalten oder auch ins Land zu kriegen.

Den Zusammenhang müssen Sie erklären.

Neben den vielen jungen Menschen, die in die Stadt wollen, gibt es auch jene, denen das Städtische nicht zusagt. Die wollen lieber biken und wandern. Nehmen Sie unsere Marketingleiterin: Die ist aus Berlin, eine klassische Großstädterin eigentlich, aber bei ihrem ersten Job in Vorarlberg hat sie die Natur lieben gelernt. Die Natur ist ein absoluter Standortfaktor, deshalb muss man sie pflegen. Und somit ist die Alpwirtschaft ein sehr wichtiger Beitrag. Das sollte allen, die mit dieser Thematik zu tun haben, bewusst sein.

Die Natur ist ein absoluter Standortfaktor, deshalb muss man sie pflegen.

Das wäre eine gute Argumentation, wenn es um das oft diskutierte Thema der landwirtschaftlichen Förderungen geht.

Das Wort „Förderungen“ ist ja schon das Problem. Das ist eine Leistung, welche die Bauern erbringen. Aber sogar die Bauern selbst sehen ihre Leistung oft nur in dem, was aus der Kuh rauskommt. Das geht nicht. Wenn ich beispielsweise nach Irland schaue, dann machen die dort auch gute und nachhaltige Landwirtschaft – können aber zu viel geringeren Kosten produzieren, einfach aufgrund des Klimas und der Landschaft. Deshalb darf man nicht meinen, dass das Geld nur aus dem Produkt kommen soll. Es muss in die Köpfe rein, dass die Landschaftspflege eine wichtige Leistung ist, die unsere Bauern erbringen und die entlohnt werden muss.

Zurück zu den Arbeitskräften: Ist die Natur also der „Joker“ im Zusammenhang mit Recruiting im ländlichen Raum?

Ja – und so wirklich zum Joker wird sie bei uns dadurch, dass Vorarlberg keine verschlafene Gegend ist, in der sonst nichts passiert. Vor allem durch private Initiativen – die natürlich teilweise gefördert werden – gibt es bei uns ein Angebot, das keineswegs provinziell ist. Ich denke da an das Conrad Sohm, die Poolbar, das Alte Kino Rankweil oder auch an euer Festival, das FAQ. Das Kunsthaus Bregenz wiederum gehört weltweit zu den besten Häusern, und auch zu den Bregenzer Festspielen und der Schubertiade kommen die besten Leute nach Vorarlberg. Es gibt also ein wirklich breites und vielfältiges Angebot. Meine Kollegen aus der Industrie und die Menschen aus dem touristischen Bereich und einfach alle müssen verstehen, dass so etwas enorm wichtig ist für die Region – auch wirtschaftlich.

Tun sie das?

Das Bewusstsein ist auf jeden Fall vorhanden, da gibt es keinerlei Widerstände. Aber manchmal ist es halt nicht vordergründig. Dass wir beispielsweise auch die Alpwirtschaft brauchen, ist oft nicht so präsent. Das hängt auch von den eigenen Interessen ab. Ich bin halt der Meinung, dass man hier alle Teilbereiche sehen muss. Ich interessiere mich beispielsweise nicht für Fußball, aber ich weiß, dass es auch sehr wichtig ist, dass wir die Vereine unterstützen.

Ist der Kampf gegen die Abwanderung der Talente in Richtung Stadt in den letzten Jahren schwieriger geworden?

Ich würde sagen, in den letzten fünf bis zehn Jahren war das ein relativ konstantes Thema. Wenn man allerdings weiter zurückgeht, hat es sich auf jeden Fall verändert. Ich denke, das hängt sehr stark auch mit dem Erasmus-Programm der EU zusammen. Wenn ich heute eine Bewerberin oder einen Bewerber von der Uni habe, dann ist es die absolute Ausnahme, wenn er oder sie kein Auslandsjahr gemacht hat. Das ist ein integraler Bestandteil geworden. Dass junge Menschen die Möglichkeit haben, andere Kulturen, Sprachen oder auch Wirtschaftsräume kennenzulernen, ist meiner Meinung nach eine Errungenschaft der EU, die sehr oft unterbewertet wird – auch wenn es für uns vielleicht manches erschwert.

Wie schafft man es als Arbeitgeber, für junge Menschen attraktiv zu sein?

Indem du in der richtigen Region bist, indem du ein Familienunternehmen bist, indem du den besten Käse machst … (lacht). Nein, im Ernst, das ist natürlich ein ganzes Bündel und auch sehr individuell. Manche Dinge kann man auch nicht beeinflussen. Wir haben beispielsweise sehr viele Frauen im Management, aber wenn diese Kinder kriegen, sind sie meistens weg. Da fehlt im Vergleich zur Stadt ein wenig das Angebot, um Kind und Karriere zu vereinen, auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan hat. Und ich habe schon auch das Gefühl, dass diese traditionellen Rollenbilder – dass die Frau zu Hause bleibt – am Land noch stärker ausgeprägt sind.

Zum Abschluss ein Themensprung: Beim Eröffnungsabend des FAQ Bregenzerwald wird unter anderem aus den Werken von Franz Michael Felder gelesen und seine Ansichten und Gedanken werden auf die heutige Zeit übertragen. Zu Lebzeiten kämpfte Felder für eine Genossenschaft und gegen die Abhängigkeit der Bauern von den Käsegrafen. Die Firma Rupp hat 2008 die Genossenschaft Alma übernommen. Übertragen auf die heutige Zeit: Wären Sie der Käsegraf?

(lacht) So bin ich tatsächlich schon bezeichnet worden. Aber ich denke, das ist keine Systemfrage, also ob Genossenschaft oder nicht. Denn: Worum ist es dem Felder denn gegangen? Um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation der Bauern. Dadurch ist er auf den Genossenschaftsgedanken gekommen. Heute wären seine Gedanken vielleicht andere. Und was man schon auch sagen muss: Die Käsegrafen haben diesen Wirtschaftszweig erst aufgebaut. Aber natürlich haben sie das sehr ungeschickt und auf Basis von Ausbeutung gemacht. Darum hat es den Felder gebraucht. Würde es heute wieder einen Felder brauchen, dann würden wir bei der Betreuung unserer Partner etwas falsch machen und mit unserer Verantwortung völlig falsch umgehen.

Text: Matthias Köb // Friendship.is
Fotos: Georg Alfare
Ian Ehm // Friendship.is

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