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Thomas Mennel
War früher alles besser?

Planer, Designer, Architekt und Hausforscher Thomas Mennel im Gespräch über altes Wissen auf neuen Wegen und warum er eine Burg tausendmal inspirierender findet als jede Architekturzeitschrift.

Du kommst aus dem Bregenzerwald, bist nach Wien und Barcelona zum Studieren und Arbeiten gegangen und wieder zurück in den „Wald“ gezogen. Hat sich dein Blick auf die Heimat durch die Distanz und das Leben in anderen Städten verändert?

Ja, extrem sogar. Im Prinzip wird man der Heimat gegenüber viel kritischer. Vor allem dem gegenüber, was dort passiert, was dort gebaut wird, wie die Leute drauf sind und auf welche Diskussionen sie sich einlassen. Ich habe auch vier Monate in Venezuela gelebt und dort mit Freunden ein Haus nur von Hand gebaut. Das ist natürlich eine enorme Bereicherung, um den Fokus zu Hause wieder zu schärfen. Die Bedeutung vom „ghörigen Bauen“, die bei uns in Vorarlberg schon sehr hoch ist, wird so stark relativiert und man kehrt dann nach Hause zurück und kann sagen: Ihr verkrampft euch da aber schon ordentlich (lacht).

Entdeckt man da auch Potentiale?

Natürlich lernt man Dinge besser zu schätzen, weil man auch den Vergleich mit dem Leben in einer Stadt hat. Aber ich würde es eher so sehen, dass man plötzlich hinterfragt, warum es am Land so ist, wie es ist. Diese Reflexion kann man nur von außen betreiben. Die schafft man von innen kaum.

Du erforschst nun schon seit Jahrzehnten die anonyme ländliche Architektur. Was genau untersuchst du?

Ich erforsche die Bauernhauskultur im ländlichen Raum. Anonym bedeutet, dass der Gestalter oder Planverfasser nicht bekannt ist und dass die Bauern im Endeffekt nur nach alten Überlieferungen oder Anregungen von außen gearbeitet haben.

Forschst du also nach dem alten Wissen der Region?

Ja, schon. Wobei keiner mehr das alte Wissen wirklich benennen kann. Ich versuche es an den Häusern abzulesen. Wir müssen dann Thesen entwerfen, welche Gründe es für diese Art des Gestaltens und Bauens gegeben haben könnte. Schlussendlich ist es ein großes Puzzlespiel, wenn man herausfinden will, wie sich die Häuser hier entwickelt haben. Man kann das eigentlich auch nur aus einer Gesamtsicht im überregionalen Zusammenhang ableiten. Zu jeder Zeit gab es gewisse Trends und mit diesen gab es auch handwerkliche Lösungen und Gestaltungsmerkmale.

Geht es dir bei dieser Arbeit auch darum, etwas zu bewahren?

Nein, das Bewahren ist nicht mein Thema. Davon bin ich auch ein absoluter Gegner. Mein Bemühen liegt darin, herauszufinden, wie früher Entscheidungen hinsichtlich Bau, Material und Grundriss getroffen worden sind und zu sehen, wie sich diese ins Heute transformieren lassen. Und das ist nie ein Bewahren. Das ist auch kein Kopieren, sondern tatsächlich ein Weg, für konkrete Bau und Gestaltungsaufgaben neue Lösungsmöglichkeiten zu schaffen und zu finden. 

Das Bewahren ist nicht mein Thema.

Wie wichtig ist dir das Experiment in deiner Arbeit?

Extrem wichtig. Ich lasse eigentlich nichts auf dem beruhen, wie es ist und versuche immer Wege zu finden, mich von gängigen Gebrauchsvorstellungen von Material und Form zu lösen. Nehmen wir beispielsweise den Betonvorhang, den mein Partner Reinhard Muxel und ich 2006 entwickelt haben. (Anm.: für den die beiden Designer 2008 mit dem Adolf Loos Preis und dem reddot design award ausgezeichnet wurden). Der Vorhang vereint zwei Dinge: die Schwere von Beton und das Leichte eines Vorhangs. Das ist ja prinzipiell unmöglich, aber darin lag für uns eine Herausforderung. Der Vorhang musste funktionieren wie ein Vorhang und er musste auch ästhetisch etwas können. Das ist uns, glaube ich, geglückt, wenn man zum Beispiel an die Lichtspiele denkt, die man in den Ritzen der Betonkissen beobachten kann.

Um auf das Leitthema des FAQ-Bregenzerwalds zurückzukommen: Würdest du sagen im Experiment liegt ein Potential für eine gute Zeit?

Das Experiment ist auf alle Fälle gut, weil es – egal ob es scheitert oder funktioniert – erfrischend ist. Man muss das Experiment immer wagen. Ich blicke kurioserweise eigentlich immer weit zurück um zu sehen, was in einem konkreten Fall schon einmal gemacht worden ist. Jedes Ding hat ja eigentlich einen Vorgänger und ich versuche dann, eine neue Linie oder einen neuen Weg zu finden. Wir haben beispielsweise eine Wasserkaraffe entwickelt, die sich von den Lederbeuteln ableitet, die die Mongolen auf ihren Pferden dabei hatten. Das sieht man dem Ding jetzt zwar nicht mehr an, aber die Idee war eigentlich der Lederbeutel.

Wo findest du Inspiration?

Eben in alten Häusern (lacht). Neue Architektur langweilt mich eher und Architekturzeitschriften langweilen mich. In alten Häusern sehe ich, dass sich jemand mit einer Frage beschäftigt und eine Lösung gefunden hat. Das heißt aber noch nicht, dass ich diese gut finde. Ich schaue mir in den Häusern aber nicht nur das Haus und seine Räume an, sondern auch das Geschirr, die Tonkrüge und alle anderen Utensilien die man dort finden kann. Da sieht man ganz irre Lösungen. Und daran erkennt man auch, dass wir oft Dinge machen, die eigentlich schon einmal dagewesen sind. Viele Gerätschaften können auch hinsichtlich ihrer Gestaltung und Formgebung jederzeit mit internationalen Designs mithalten. Es gibt einen irren Fundus an Dingen in historischen Bauten. Jede Burg hat für mich so viel mehr Input als eine Architekturzeitschrift.

Dreht sich eigentlich alles in deinem Leben um die Arbeit?

Ja (lacht). Ich bin verheiratet und habe Kinder und wir haben einen riesen Spaß, aber ich bin ein leidenschaftlicher Arbeitender oder auch Beschäftigter.

Wo liegen für dich die Potentiale für eine gute Zeit?

Meiner Meinung nach in der intensiven Auseinandersetzung mit Dingen, denn so kann man – ohne dass man etwas mit gut oder schlecht bewertet – tiefergehende Gespräche führen. Gleichzeitig muss man sich schon eine gewisse Lockerheit bewahren und über Dinge lachen können. Dann gibt es auf einmal solche Dinge wie den Betonvorhang. So was kann man nicht mit Krampf erzwingen. Im Prinzip ist jedes Produkt, das ästhetisch oder beim Publikum erfolgreich ist, der Lohn oder die Ernte einer intensiven Auseinandersetzung. Damit meine ich weniger den monetären Aspekt als viel mehr, dass es großartig ist, wenn sich die Leute über das Produkt unterhalten und ihren Spaß daran haben.

Hast du persönliche FAQs, die du dir immer wieder stellst?

Ich frage mich bei allem was ich tue und denke, ob ich mich richtig entschieden habe (lacht). Und das mache ich quasi in jedem Moment.

Text: Sophia Roma Weyringer // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm // Friendship.is