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Conrad Amber
Von Menschen und Bäumen

„Pflanze einen Baum, gib ihm einen Namen, sorge dafür, dass er dich überlebt. Wann? Am besten gestern oder jetzt. Wo? Das ist überall möglich.“ Diesen Rat – er nennt ihn „Amberrat“ – gibt Conrad Amber gerne weiter. Der Vorarlberger Autor, Naturfotograf, Berater und Vortragende sieht es als seine Berufung an, das Verhältnis von Menschen und Bäumen wieder in Balance zu bringen. Und die Städte grün zu machen – für jene, die dort leben, und fürs Klima.

In deinem letzten Buch „Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt“ zeichnest du eine Zukunftsvision von der grünen Stadt. Warum sind Bäume so gut für das Klima?

Bäume sind die langlebigsten und billigsten Energiefabriken, die es gibt. Allein durch ihre Lebensweise geben sie sehr viel Sauerstoff ab – Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. Außerdem nehmen Bäume Wasser aus dem Boden auf, um es später wieder zu zerstäuben. Dieser Effekt wirkt sich im Sommer kühlend auf die Umgebung aus. Wald und Bäume sind Pufferzonen, die die Schwankungen der Wetterkapriolen ausgleichen. Sie können überall leben – in jedem Garten, in jedem Straßenraum, auf vielen Dächern, entlang der Straßen und draußen am Land. Und wir müssen uns relativ wenig oder gar nicht um das Lebewesen Baum kümmern, das oft viel länger als 100 Jahre lebt. Wir investieren also einen kleinen Aufwand in ein lebendes Kraftwerk, das dann für uns und unsere Kinder und Enkel wirkt. Das ist so einfach und logisch, dass wir es einfach machen müssen.

Warum werden Pflanzen und Bäume nicht schon längst in die Stadtplanung integriert?

Manche Stadtplaner und Architekten glauben immer noch, dass es historisch begründbar sei, warum in Städten keine Bäume sein sollten. Sie schließen den Baum aus, weil sie ihn nicht mitplanen können und wollen, denn der Baum ist nicht so beherrschbar wie ein Gebäude. Manche Menschen fühlen sich gestört von abfallenden Blättern. Und dann gibt es die Ansicht, dass der Baum mit seinem Schatten Dunkelheit erzeugt. Außerdem empfinden ihn einige als Risiko – bei starken Winden, Blitzschlag oder Schneelasten können Äste abbrechen. Aus diesen Gründen haben viele Menschen ein Problem mit Bäumen – auch weil sie sich von der Natur entfernt haben. Da gehört die Haltung der Menschen überdacht. Was mir auch aufgefallen ist: Vor allem Männer haben zum Teil eine pubertäre Haltung zum Baum, weil sie ihn oft als Gegner sehen: Er ist größer als sie, er lebt länger als sie, er ist mächtiger. Oft werden Bäume gefällt, weil Männer zeigen wollen, wer der Chef ist. Das ist fast schon peinlich.

Du bist ein Befürworter von „Bäumen auf Dächern“. Das bietet sich auch in Vorarlberg an, wo es viele Flachdächer gibt. Warum sollte man diese begrünen?

Die Vorteile sind immens: Einerseits habe ich durch die höheren Schüttungen eine bessere Isolation für das Haus und spare Energiekosten beim Heizen und beim Kühlen. Kiesdächer erzeugen Hitzeinseln, die bis auf 80 Grad aufheizen können. Zum Zweiten halten Gründächer oft doppelt so lang wie einfache Kiesdächer, weil die höhere Schutzschicht das Haus vor UV-Strahlen, Frostschäden und hohen Temperaturschwankungen schützt. Gründächer sorgen für Lärmminderung, und Regenwasser kann verdunsten und fließt nicht in die Kanalisation, wo es niemand braucht. So entlasten wir unsere unterirdischen Systeme. Außerdem erzeugen die Pflanzen Sauerstoff, sie nehmen Feinstaub auf, schaffen Lebensraum für Insekten und Bienen und für uns selber.

Es braucht also mehr Bäume und Pflanzen in der Stadt. Aber ist eine städtische Umgebung nicht auch schädlich für Pflanzen?

In der Stadt sind die Mikroklimata durch die hohen Hitzespeicher der Wände und Straßen, durch versiegelte und verdichtete Böden sowie Abgase wesentlich aggressiver als am Land. Da sind die Herausforderungen natürlich größer. Am wichtigsten ist es, bestehende Bäume zu schonen und zu pflegen. Dazu gehört möglicherweise auch das Wässern im Sommer oder die Vergrößerung der Baumscheiben rund um den Stamm und deren Begrünung. Maßnahmen wie diese nicht zu setzen ist fast sträflich, denn jeder angewachsene Baum, der schon eine gewisse Größe erreicht hat, hat Jahrzehnte gebraucht, um sich an den Standort anzupassen. Ich bin zwar kein Freund von Exoten, sogenannten Neophyten, aber wenn Bäume aus dem Süden sich etablieren, die dem heißeren Klima besser trotzen können, dann halte ich das für sinnvoll.

Auch an Orten mit wenig Freifläche kann man etwas Gutes für das Klima tun. Stichwort: Vertical Gardening.

Genau. Damit lassen sich mit zum Teil technischen Lösungen wie Trogsystemen Nutzpflanzen ziehen, die man auch ernten kann – beispielsweise Beeren, Salate oder Gewürze. Und dann gibt es noch die einfache Fassadenbegrünung, die auch mit sehr pflegeleichten Rankpflanzen funktioniert, die erdgebunden sind und die entweder direkt auf der Fassade hochwachsen oder an Gittern hochkriechen. Oder die wertvollen Spalierobstbäume, die platzsparend an Hauswänden gedeihen. Auch das wirkt sich auf das Mikroklima des Straßenraums oder des Quartiers aus. Würden wir die Fassadenbegrünung vorantreiben, alle möglichen Dächer begrünen und versuchen, in die meisten Straßenräume Bäume zu bekommen, hätte ich keine Angst vor der Klimaveränderung der nächsten 100 Jahre.

Natur und Wald sind nicht nur gut für das Klima, sondern auch für das Wohlbefinden des Menschen. Was machen Bäume mit Menschen?

Bäume haben, abgesehen davon, dass sie so ruhig und still und groß dastehen, für uns spürbare Wirkungen: Man kommt im Wald grundsätzlich zur Ruhe. Es gibt da diese Aussage, der ich nur zustimmen kann: Man kann nicht schlecht gelaunt sein im Wald. Bäume strömen Duftmoleküle aus, sogenannte Terpene, mit denen sie untereinander kommunizieren. Diese Terpene nehmen aber auch wir über die Atmung und die Haut auf. Das beruhigt nicht nur, sondern verändert auch das Blutbild positiv. Zudem ist die Luft im Wald extrem sauber und gefiltert – es ist die wohl gesündeste Atemluft, die es gibt. Sie hat einen sehr hohen Sauerstoffanteil und ist meistens auch gekühlt.

Bäume sind Lebewesen, können sich aber nicht bewegen und sind der Umwelt mehr ausgeliefert als Menschen und Tiere. Trotzdem werden sie meistens älter. Was können Menschen von Bäumen lernen?

Wir Menschen sind aus Fleisch und Blut und auch sonst anders gestrickt als Bäume, daher lassen sich Vergleiche nur symbolisch darstellen. Was man an den Bäumen aber sehr gut sieht, ist, wie Kooperation funktioniert. Man spricht vom 2K-Prinzip der Bäume: Kommunikation und Kooperation. Der Einzelbaum kann nur überleben, indem er mit anderen kooperiert und sich perfekt in seine Funktion und seinen Standort einfügt. Wenn er aber auf Konfrontation geht mit anderen, stirbt mindestens einer. Ich denke, das könnte man schon als gewisse Lebensweisheit für uns Menschen übernehmen. Der dauernde Wettbewerb, der Leistungskrieg um Gewinne und Erfolge ist auf Dauer gesehen für uns und die Welt schädigend. Viel klüger wäre es, sich mit anderen zu verbinden, Gruppen und Gemeinschaften zu bilden und zu versuchen, das Gesamtwohl über das Wohl des Einzelnen zu stellen.

„BÄUME AUF DIE DÄCHER, WÄLDER IN DIE STADT“ (2017) erhalten Sie u. a. in Vorarlberger Buchhandlungen. Alles über aktuelle Vorträge und Projekte von Conrad Amber auf www.conradamber.at.

Das Interview ist im Rahmen unserer Kooperation mit dem Magazin „B’sundrig” von Sutterlüty entstanden. Der Artikel erschien erstmalig in der „B’sundrig”-Ausgabe Oktober/November 2020.

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Foto Porträt: Dietmar Mathis
Foto Wald: Conrad Amber