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Stefania Pitscheider Soraperra, Martina Rüscher
Quoten und ein Museum: Warum brauchen wir das (noch)?

Stefania Pitscheider Soraperra ist Direktorin des Frauenmuseum Hittisau, Martina Rüscher ist Unternehmerin und Landesrätin. Ein Gespräch über Rollenbilder, warum es Frauenquoten genauso braucht wie ein Frauenmuseum und was die #metoo-Debatte bewirkt.

Im Vorgespräch hast du, Martina, Kaiserin Maria Theresia und Angela Merkel und du, Stefania, die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie als Frauen genannt, die euch beeindrucken. Wie wichtig sind solche Frauen für die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft?

Pitscheider Soraperra: Es ist wichtig, dass es so viele starke Stimmen gibt. Starke Frauenstimmen schaffen Sichtbarkeit für Gleichbehandlung und Chancengleichheit. Das ist wichtig. Im Frauenmuseum geht es uns immer um diese Fragen. Wir wollen positive Rolemodels zeigen ohne zu vergessen, dass es an vielen Stellen krankt, dass Ungerechtigkeiten passieren, dass Gewalt viele Frauen betrifft. Wir wollen nicht in der Opferrolle verharren und trotzdem dorthin schauen, wo der Schuh drückt.
Rüscher: Ja, es braucht sichtbare weibliche Vorbilder, aber wir dürfen nicht nur dieses Bild der „Superfrau“ vermitteln. Das kann jungen Frauen auch Angst machen. Also dass sie denken: Erfolgreich im Beruf, beste Mama, perfekte Hausfrau, schönste Ehefrau – das alles schaffe ich nicht. Das führt mitunter dazu, dass sie sich eine Rolle herauspicken die sie sicher erfüllen können. Super-Mama oder Karriere-Frau. Deshalb wollen wir die gemeinsame Verantwortung zeigen, beispielsweise bei Familien: Die Frau schafft das nur, wenn der Mann sie unterstützt und der Mann schafft es nur, wenn die Frau diesen Weg mit ihm geht.

Ein viel diskutiertes Thema im Zusammenhang mit Gleichberechtigung ist die Frauenquote. Wie steht ihr dazu?

Rüscher: Ich unterstütze Quoten insbesondere im politischen Bereich und finde es ein bisschen überheblich, wenn erfolgreiche Frauen sagen: Schaut her, ich habe es auch geschafft, wir brauchen keine Quote. Denn es gibt andere, denen diese Quote hilft. Wenn sie anderen hilft und Möglichkeiten eröffnet, ja was stört mich dann daran?
Pitscheider Soraperra: Die Quote ist nichts Böses, sie ist ein wirkungsvolles und notwendiges Instrument der Chancengleichheit. Auch unser Parlament ist ein Quotensystem, das sicher stellt, dass nicht nur Wienerinnen und Wiener vertreten sind, sondern, aliquot zur Gesamtbevölkerung, VertreterInnen aus ganz Österreich. Da spricht auch niemand von Quotenmenschen.

Die Quote ist nichts Böses, sie ist ein wirkungsvolles und notwendiges Instrument der Chancengleichheit.

Dennoch wird das Thema emotional diskutiert.

Rüscher: Weil es eben zugleich eine Männerquote ist. Wir haben erstmals in der Vorarlberger ÖVP durchgesetzt, dass mindestens 50 Prozent Frauen auf wählbaren Plätzen gelistet sein müssen. Das beschleunigt den Prozess, dass kompetenten Frauen in die Politik geholt werden, enorm. Hoffentlich brauchen wir das in 20 Jahren nicht mehr, aber heute brauchen wir es noch.
Pitscheider Soraperra: Auch wenn ich an die Kultur denke – ich werde oft gefragt: „Braucht es ein Frauenmuseum?“ Ich würde mir wünschen, es bräuchte keines. In vielen Museen sind Frauen lediglich als Objekt der Begierde an der Wand sichtbar. Deshalb brauchen wir Orte, die sich gezielt und konzentriert mit Frauengeschichte und Frauenkultur auseinandersetzen.

Ihr seid beide keine gebürtigen Vorarlbergerinnen. Ist Vorarlberg ein traditionelles Bundesland, auch im Hinblick auf geschlechterspezifische Rollenbilder?

Rüscher: Vorarlberg ist in vielen Bereichen offener als andere Bundesländer und ich finde, diese Zuschreibung der besonders traditionellen Rollenbilder stimmt so nicht mehr. Wir haben gerade im Bregenzerwald jene Region, mit den meisten Bürgermeisterinnen und auch in vielen Wälder Familien sind es die Frauen, die letzten Endes vieles entscheiden. Diese Zuschreibungen stimmen weder für Vorarlberg noch den Bregenzerwald. Wir müssen bei dieser Diskussion aufpassen, dass Frauen auch noch Frauen sein dürfen, dass sie gerne mal kochen oder backen, ohne dass dies gleich ihre Rolle als starke Frau gefährdet.
Pitscheider Soraperra: Das sehe ich anders. Vorarlberg ist zwar ein modernes Land und das wird auch von außen so wahrgenommen. Das trifft auf formal-ästhetische Aspekte zu, nicht unbedingt auf gesellschaftspolitische. Kindererziehung und -betreuung sind immer noch Frauensache. Es gibt viele sehr gut ausgebildete Frauen, die mit großer Selbstverständlichkeit viele Jahre zuhause bleiben, wenn sie Kinder bekommen und danach in Teilzeit arbeiten. Langfristig bedeutet das Altersarmut. Gleichzeitig haben wir die zweithöchste Scheidungsrate in Österreich. Das Familienbild bröckelt zwar an allen Seiten, aber die Art, wie Familie gesehen wird, ist immer noch sehr traditionell.

Stichwort Altersarmut: Der Gender Pay Gap – also der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau – ist in Vorarlberg höher wie in jedem anderen Bundesland.

Rüscher: Das ist erschreckend und liegt auch daran, dass viele Frauen nach einer Geburt lange in der Teilzeit bleiben und die Konsequenzen nicht bedenken. Sie müssen überlegen: Wenn ich so lange Teilzeit und so lange Vollzeit arbeite, dann habe ich eine ungefähre Pension von so und so viel. Das ist eine Eigenverantwortung und auch da müssen wir den Hebel ansetzen, dafür braucht es gute Informationsmöglichkeiten. Ebenso ist es wichtig, Frauen zu fördern beispielsweise in technische Berufe zu gehen – wobei das nicht bedeutet, dass sie dann automatisch gleich viel verdienen. Ich hatte ein Gespräch mit einer Bewerbungsexpertin, die sehr viele Bewerbungsgespräche begleitet hat: Frauen fordern in der Regel 20-50 Prozent weniger Lohn. Wir müssen Frauen ermutigen und ermächtigen, einzufordern was sie Wert sind.
Pitscheider Soraperra: Wir brauchen Maßnahmen, die dem Gender-Pay-Gap auf vielen Ebenen entgegenwirken. Wir müssen Frauen darin bestärken, einen fairen Lohn zu fordern und gut zu verhandeln. Und natürlich spielt die Berufswahl eine wichtige Rolle. Es ist eine Tatsache, dass gerade jene Berufe, die besonders oft von Mädchen gewählt werden, sehr schlecht bezahlt sind.
Rüscher: Wenn es in Diskussionen darum geht, dass wir mehr Männer als Kindergartenpädagogen bräuchten, kommt sofort das Argument: Mit dem Gehalt kann er keine Familie ernähren. Und alle nicken. Aber warum kommt das Argument nur, wenn es um einen Mann geht?

Wir müssen Frauen ermutigen und ermächtigen, einzufordern was sie Wert sind.

Stefania, du hast in einem Interview gesagt, dass man schauen muss, dass Errungenschaften der Frauenbewegungen nicht wieder verloren gehen.

Pitscheider Soraperra: Österreich ist ein wertkonservatives Land mit immer noch traditionellen Rollenbildern. Das sitzt tief. Die Rechten, die ein traditionelles Frauenbild haben, stilisieren sich zu Kämpfern gegen Frauenunterdrückung. In Amerika haben wir einen Präsidenten, der gewählt wird, obwohl er Frauen "an die Pussy" greift. Und vielerorts werden Frauenrechte wieder in Frage gestellt.

Sind gerade im Hinblick auf solche Dinge Bewegungen wie #metoo wichtig? Hat sich durch die Debatte etwas verändert?

Rüscher: Früher ist öfter jemand hergekommen und hat dich umarmt, das passiert spürbar seltener – vielleicht auch aus Sorge, man könnte zu weit gehen. Aber das hat auch sein Gutes. Besser jemand denkt vorher drüber nach, ob es vielleicht falsch aufgefasst werden könnte. Ein achtsames Miteinander eben.
Pitscheider Soraperra: Durch solche Debatten kommen Dinge in der Gesellschaft an und werden spürbar – für beide Seiten. Auch Frauen werden sich bewusst, das kann man mit mir nicht machen, das ist eine Grenzüberschreitung.

Text: Matthias Köb // Friendship.is
Fotos: Lukas Hämmerle  // Friendship.is

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