Georg Schweisfurth
Ist die Welt noch zu retten?
Reduce. Repair. Recycle. Das ist das Mantra von Georg Schweisfurth, und er wird nicht müde, es zu wiederholen. Zum FAQ Bregenzerwald kommt der Pionier der ökologischen Landwirtschaft in Lederhose und Stutzen, auf dem Kopf einen löchrigen Sonnenhut. Der 58-Jährige lebt „bio“, es gibt für ihn schlicht keine Alternative. Ein Gespräch über Nachhaltigkeit und die Frage, ob die Welt noch zu retten ist.
Georg, du zählst zu den Vorreitern der grünen Bio-Bewegung. Was bedeutet Bio?
Man kann das Ganze auf zwei Ebenen sehen: Bio ist einerseits eine Lebenseinstellung und andererseits, vom rein technokratischen Standpunkt aus, eine alternative Form der Landwirtschaft. Ich werde öfters angegriffen, etwa weil es in meinen Geschäften Äpfel aus Neuseeland gibt. Da taucht dann die Frage auf: Kann das denn bio sein? Meine Antwort: Die Äpfel sind biozertifiziert und daher kann ich versichern, dass sie nach den Regeln der ökologischen Landwirtschaft angebaut wurden. Ob die Äpfel nun über weite Strecken hinweg transportiert oder in Plastik verpackt wurden, ist in dieser Sichtweise nicht Teil von „Bio“.
Was ist denn nachhaltiger: Der Bio-Apfel vom anderen Ende der Welt oder der nicht-biozertifizierte Apfel vom benachbarten Bauern?
Das eine darf man nicht gegen das andere ausspielen. Meiner Meinung nach sind das zwei Paar Schuhe. Bio ist, wie gesagt, ein alternatives Landwirtschaftsmodell, betrifft also den Anbau eines Produktes, während Regionalität ausschließlich Bezug auf die Herkunft des Produktes nimmt. Was bedeutet denn überhaupt regional? Das ist ein so weitläufiger Begriff, der vor dem Hintergrund der Globalisierung ganz unterschiedlich interpretiert werden kann.
Wie stehst du als gelernter Metzger zum Thema Fleisch: Leben Vegetarier bzw. Veganer nachhaltiger als Fleischesser?
Das ist sehr schwer zu beantworten. Ich persönlich sehe es so: Wenn wir all unsere landwirtschaftlichen Flächen – die ja immer knapper werden – sinnvoll bewirtschaften wollen, müssen wir auch Fleisch essen, Milch trinken und Kuhfelle verarbeiten. Angesichts des überbordenden Fleischkonsums dieser Welt sind allerdings diejenigen, die auf Fleisch verzichten, im Moment sicher nachhaltiger unterwegs.
Du bist Mitbegründer der Bio-Supermarktkette basic, die u.a. das Ziel verfolgt, allen Menschen den Zugang zu Bio-Produkten möglich zu machen und zu erleichtern. Wie könnte ein globales Bewusstsein für die Wichtigkeit ökologisch verträglicher Ernährung geschaffen werden?
Man müsste die Menschen einfach mal darüber aufklären, was für Nebenkosten sie beim Erwerb ihrer Discount- und Convenience-Produkte zahlen. Die Schäden, die bei der Produktion von diesen Billigprodukten verursacht werden trägt nämlich natürlich die Allgemeinheit, also die Gesellschaft. Man müsste da ein nationales Solidaritätsnetzwerk entwickeln, in dem alle Akteure integriert werden – von den Einzelhändlern und Kunden bis hin zu den politischen Entscheidungsträgern. Vor ein paar Tagen hab ich den Ministerpräsidenten und Landwirtschaftsminister der indischen Teilrepublik Sikkim getroffen. Dort wurden im Laufe der letzten zehn Jahre die Betriebe aller 66.000 Bauern auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. Seitdem gibt es in ganz Sikkim keine Futtermittelimporte, keine synthetischen Düngemittel und keine Pestizide mehr. Das ist natürlich erst mal eine sehr repressive politische Maßnahme, denn es wäre unmöglich gewesen die Zustimmung aller 66.000 Bauern einzuholen. Meiner Ansicht nach wird es aber auch in Europa notwendig werden, gewisse Regeln aufzusetzen, ansonsten ist die Welt irgendwann wirklich am Arsch!
Ist die Welt überhaupt noch zu retten? Oder haben wir den point of no return bereits überschritten?
Point of no return – an so etwas glaube ich nicht. Die Natur ist sehr stark und meldet sich zurück. Ich habe durchaus das Gefühl, dass die Menschheit versucht in die richtige Richtung zu gehen. Eines muss aber klar sein: Wir müssen unseren Konsum reduzieren – in allen Lebensbereichen. Also abschaffen anstatt noch mehr anzuschaffen. Nicht Altes durch Neues ersetzen, sondern „reduce, repair, recycle“. Das ist meine Devise!
Wir müssen unseren Konsum reduzieren – in allen Lebensbereichen.
Eine abschließende Frage: Ihr Vater hat aus dem Familienbetrieb Herta das größte fleischverarbeitende Unternehmen Europas gemacht. 1984 hat er den Betrieb an Nestlé verkauft und ist Bio-Bauer geworden. Muss man zuerst den „Massentierhaltungs-Teufel“ füttern, um anschließend in den „Bio-Himmel“ aufzusteigen?
Jeder muss die Möglichkeit haben, seine Meinung zu ändern. Mein Großvater und mein Vater waren tüchtige Menschen, die zum Glück rechtzeitig erkannt haben, dass sie in eine falsche Richtung gehen. Mein Vater ist dann zu dem Entschluss gekommen, dass es das Beste ist, das Unternehmen in dem System, in dem es jetzt ist zu lassen und es an Nestle zu übergeben. Er hat das Geld aber nicht in denselben Mist gesteckt, sondern in eine beispielhafte Ökonomie, die sich der ökologischen Landwirtschaft verschrieben hat. Hier wurde schlechtes Geld in gutes Geld umgewandelt. Ich sehe so viele Menschen, die unwahrscheinlich viel Geld besitzen und zu höchsten Renditen in die konventionelle Landwirtschaft investieren, anstatt etwas Gutes daraus zu machen.
Text: Robert Maruna // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm // Friendship.is