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Thomas Geisler
Der neue Herr des Werkraums

Wenn Bregenzerwälder Handwerkskunst ein Zuhause hat, dann ist es der Werkraum: Im Quader mit den Glasfronten trifft sich das Beste, Spannendste und Innovativste, was das regionale Handwerk derzeit zu bieten hat – unter den geschäftsführenden Händen von Thomas Geisler.

Der Quader trägt ein schwarzes, ausladendes Dach aus Holz. Seine Fassade ist aus Glas. Wer das Gebäude betritt, kann seinen Namen lesen, wenn er den Blick hebt: werkraum bregenzerwald. Ein Ort, an dem das Können und Wissen von mittlerweile 89 Handwerksbetrieben aus dem Bregenzerwald aufeinandertreffen und zusammenfließen: Regionale Handwerkskunst in einem Raum, dessen Glaswände ihn zur Bühne machen. Aber auch die, die darin arbeiten, werden zu Darstellern, und zwar des echten Lebens. Wie Thomas Geisler, seit Juli 2016 neuer Geschäftsführer des Werkraums. Wenn er an seinem Schreibtisch rechts neben dem Eingang sitzt, kann man ihm beim Werken zusehen. Auch wenn seine Hände eher Wörter schreiben als Dinge produzieren, die Form, Farbe und Struktur haben. „In solchen Momenten blicke ich gerne auf meine Ausbildung als Keramiker zurück,“ sagt er und meint damit dieses befriedigende Gefühl, das einen überkommt, wenn etwas geschaffen wurde, das sich angreifen und benutzen lässt: „Das Tagwerk ist aufgrund der Sichtbarkeit des Ergebnisses ein sehr unmittelbares Erlebnis.“

Das bloße Produzieren von Objekten ist mir zu wenig geworden. Mir hat der gesellschaftliche Anspruch im Design gefehlt.

Das, was Thomas Geisler heute schafft, lässt sich in den meisten Fällen nicht angreifen. Das stört ihn aber auch nur selten, denn es gibt gute Gründe dafür, warum er nicht bei der Keramik geblieben ist: „Das bloße Produzieren von Objekten ist mir zu wenig geworden. Mir hat der gesellschaftliche Anspruch im Design gefehlt,“ sagt er. So fing er an, sich mit dem Designer und Denker Viktor Papanek und seiner Forderung nach sozial und ökologisch nachhaltigem Design zu befassen. Ein Anspruch, der seitdem sein Tun leitet – und der 2007 in der Initiative zur Gründung der Vienna Design Week, jenem Designfestival, das zum Ziel hatte und hat, österreichische Designschaffende international zu vernetzen, einen ersten Höhepunkt erreichte. „Es ist erstaunlich was jemand zustande bringt, der nicht weiß, was er nicht kann“ zitiert er in diesem Zusammenhang gerne seinen Leitspruch für neue und ungewisse Herausforderungen. „Am Anfang war es sehr mühsam, Handwerker für die Vienna Design Week zu gewinnen, da sie sich nicht im Designkontext zuhause gesehen haben. Es hätte auch schief gehen können, aber wenn wir es nicht probiert hätten, dann hätten wir es nie gewusst“, so der neue Leiter des Werkraums.

Ich bin beeindruckt davon, wie ein Haufen im Grunde konkurrierender Betriebe sich zusammenrauft in dem Wissen, dass ihre Stärke in der Gemeinschaft liegt.

Heute ist Thomas Geisler der, der dafür sorgen wird, dass der Werkraum weiterhin als lebhafter Ort der Begegnung und des Austauschs für Handwerktreibende, Gestalter und Interessierte wahrgenommen wird. Wie es dazu gekommen ist, dass er nun im Bregenzerwald lebt und nicht in London oder New York, wo man ihn, der zuvor als Kurator und Sammlungsleiter im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst in Wien Kulturliebhaber begeistert hat, sicher auch mit offenen Armen empfangen hätte? Das hat mehrere Gründe: „Außer den Arbeitsplätzen, die ich schon kenne, gibt es keinen spannenderen als diesen hier. Er stellt viele Themen, mit denen ich mich schon in urbanen Kontexten beschäftigt habe, in den für mich neuen Kontext des ländlichen Raums. Ich bin beeindruckt davon, wie ein Haufen im Grunde konkurrierender Betriebe sich zusammenrauft in dem Wissen, dass ihre Stärke in der Gemeinschaft liegt,“ so Thomas Geisler über das Leben und Arbeiten im „Soziotop Bregenzerwald, das auch durch jene Menschen geprägt ist, die sich draußen in der Welt umgesehen und ihre Eindrücke zurückgebracht haben.“ Eine Art offener Mikrokosmos, der durch ständig neue Impulse und intensiven Austausch lebendig bleibt und sich immer wieder neu erfindet.

Ein weiterer Grund für die Verlegung des Lebensmittelpunkts in den Westen ist wohl auch, dass der studierte Designer und Kulturmanager hier seiner Vorstellung von sozialer und nachhaltiger Gestaltung ein Stückweit näher kommen kann: „Wenn das Handwerk nur zu einer kulturhistorischen oder touristischen Größe gemacht wird, dann bleibt es im Musealen oder wird zum Event. Daher ist der Werkraum darum bemüht, zeitgenössisches mit historischem Wissen zu verbinden und so Dinge mit alltäglichem Nutzen zu schaffen. Handwerk bekommt somit gesellschaftliche Relevanz und beleibt keine Nischenerscheinung.“

Das Bedürfnis, Dinge zu wagen und ins kalte Wasser zu springen, spielte für Thomas Geisler bei der Entscheidung für den Wald sicher auch eine Rolle. „Ich habe immer gerne Herausforderungen angenommen. Das habe ich auch meinen Eltern zu verdanken, die mich immer haben machen lassen. So konnte ich Selbstvertrauen aufbauen – es ist für mich eine ganz wichtige Erziehungs- und Bildungsaufgabe, Menschen Selbstvertrauen beizubringen, denn das wirkt den Ängsten entgegen, von denen unsere Gesellschaft derzeit so behaftet ist.“ Ob es auch Aufgabe des Werkraums sein könne, Selbstvertrauen zu vermitteln? Auf eine indirekte Weise wahrscheinlich schon. Denn wie entsteht Selbstbewusstsein? Indem man sich Aufgaben stellt und Neues erprobt, so wie es zum Beispiel die kürzlich gestartete Werkraumschule ermöglicht: „Hier können die Schüler alle möglichen Arten von Handwerk ausprobieren und in Austausch mit den Betrieben treten. Sie haben genügend Zeit, berufliche Perspektiven kennenzulernen, um sich zu orientieren,“ so Thomas Geisler. Den Sprung in den Wald hat er jedenfalls hinter sich. Nun gilt es, ihn und sein Handwerk kennen zu lernen. Und so dem dunklen Quader frischen Wind einzuhauchen.

www.werkraum.at

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Darko Todorovic // Friendship.is

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