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Gexi Tostmann
Wohin geht die Gerechtigkeit?

Auf der einen Seite ist es die Liebe zur Tracht, die Gexi Tostmann, Inhaberin des gleichnamigen Trachtenlabels, seit jeher antreibt. Auf der anderen Seite ist es ein Nicht-Ertragen-Können von Ungerechtigkeiten - mit der Konsequenz, sich einsetzen zu müssen: für den Frieden, die Freiheit, ein bedingungsloses Grundeinkommen, für die Gejagten und Geplagten unserer Gesellschaft.

Sie sind eine Frau, die immer stark ihre Meinung vertritt und gesellschaftspolitisch sehr engagiert ist. War das immer schon so?

Nun, wann immer ich das Gefühl habe, dass ich von meiner Position aus etwas verändern kann wo etwas ungerecht ist oder dumm oder arrogant, dann sage oder tue ich etwas. Ich war schon in der Hauptschule Klassensprecherin, aber nicht, weil ich mich darum gerissen habe, sondern weil ich es als richtig empfunden habe. Also ja, für die Gerechtigkeit bin und war ich schon immer zu haben. Mir ist damals aufgefallen, dass manche Kinder aufgrund ihres elterlichen Status schlecht behandelt wurden, und das hat mir schon als Kind wehgetan.

Warum ist es so wichtig, sich für Gerechtigkeit einzusetzen?

Ich habe mir immer gedacht, dass man bei Sachen bei denen man spürt, dass sie nicht gut sind, etwas machen muss. Den Leuten, die das nicht spüren, verzeihe ich das zumindest. Nur die, die aus Feigheit nicht aufzeigen, die mag ich nicht so gern. Dabei habe ich aber immer versucht, nicht auf Kosten von den Menschen, die nicht meiner Meinung sind, zu handeln. Nicht verletzend zu sein, sondern friedlich.

Nur die, die aus Feigheit nicht aufzeigen, die mag ich nicht so gern.

1987 haben Sie eine Verfassungsklage gegen das Ladenschlussgesetz, also fixe Ladenöffnungszeiten, eingereicht. Haben Sie dieses auch als Ungerechtigkeit empfunden?

Meine Ansicht war so: Wenn ich als Person im Geschäft sitze und arbeite – das darf ich ja – und es klopft jemand und will rein, dann muss es erlaubt sein, dass ich aufmache. Um zu plaudern oder auch um etwas zu verkaufen, wenn die Person das wünscht. Das ist ein Grundrecht und mir wurde damals auch Recht gegeben. So ist erst einmal der Samstag durchgegangen. Den Sonntag haben sie mir nicht durchgelassen, das finde ich immer noch nicht richtig. Ich finde, dass man in einem Land, wo die jüdischen Feiertag anders fallen als die muslimischen und christlichen, sein Geschäft eigentlich offen halten dürfen müsste, dass man Gesetze nicht nur nach christlichen oder römisch-katholischen Vorschriften formen darf. Da muss sich noch einiges ändern. 

Ihre Leidenschaft gehört auch der Tracht – die immer wieder von Rechtsparteien instrumentalisiert wurde und wird. Wie geht man damit um?

Das ist mir immer sehr zuwidergelaufen und meiner Mutter Gott sei Dank auch, weil sie immer gesagt hat: Was kann die Tracht dafür, dass sie politisch missbraucht wird? Als die Eltern die Firma 1949 gegründet haben, haben alle gesagt: Ihr spinnt’s ja. Aber die Mutti hat gesagt: Ich wollte immer schon eine Trachtenstube haben, in der ich Tradition und Avantgarde verbinden kann. Sie kommt aus einem geistig offenen Haus, ihre Mutter hatte Kontakt zu Emilia Flöge und Gustav Klimt. Mein Vater war ein Nazi, hat aber um 1940/41 begriffen, was für ein Wahnsinn das alles ist. Er ist dann ins KZ gekommen, für fast ein Jahr, kurz nach der Hochzeit mit meiner Mutter. Ich war zu dieser Zeit schon in ihrem Bauch. Vielleicht hat mich das geprägt...

Es heißt ja, dass Traumata über mehrere Generationen weitervererbt werden können.

Davon habe ich auch schon gehört. Man muss sich nur vorstellen, welche Traumata bei den Flüchtlingen von heute über kurz oder lang ausgetragen und ausgelebt werden. Nichts zu tun und zu schweigen, während andere ersaufen – dafür würde ich mich schon verurteilen. Wir haben in unserem Unternehmen immer mit Flüchtlingen gearbeitet, wobei ich sagen muss: Das ist ein reiner Egoismus, weil man so viel zurückbekommt. Es ist ein sehr positives Bewältigen von Problemen.

Ich befürchte, es muss mal wieder alles zusammenbrechen.

Welche Fragen stellen Sie sich derzeit besonders oft?

Ich finde die ganze politische Situation spannend – nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. „Was entsteht da?“ frage ich mich. Kommt die große Katastrophe oder ist der Mensch vernünftig genug? Ich befürchte, es muss mal wieder alles zusammenbrechen.

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Florian Lechner // Friendship.is

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