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Rebecca Clobath
Was soll ich essen?

Sie könnte in jedem Spitzenrestaurant der Welt arbeiten, lässt sich aber lieber zur Bäuerin ausbilden. Sie mag das Echte und Naturnahe und schätzt es zu wissen, was auf ihrem Teller ist. Ihre Gerichte schmecken nach den Alpen und sind aufgeladen mit Geschichte, Kultur, Erinnerungen. Nach Sternen und Punkten zu jagen interessiert sie nicht – es gebe in der Branche ohnehin zu viele mit großem Ego.

In deiner Küche versuchst du, wie man auf deiner Website lesen kann, Kultur, Geschichte, Landwirtschaft und Anbau zu vereinen. Warum ist es so wichtig zu wissen, was auf dem Teller liegt?  

Es geht mir darum, Zusammenhänge aufzuzeigen. Alle unsere Lebensmittel kommen aus der Landwirtschaft und man hat vergessen, dass das so ist. Die Landwirtschaft ist die Essenz von dem, dass wir überhaupt noch leben. Wenn man zwei Wochen in den Urlaub fährt und dann zurückkommt, wird man sagen: Es war megasuper, aber vielleicht etwas zu kurz. Wenn man hingegen zwei Wochen nicht isst, wird es eng. Dieses Bewusstsein will ich den Kunden und Gästen wieder näherbringen. Meine Küche ist eine sehr naturnahe, ehrliche Küche. Ich versuche, den Heimatgeschmack der Alpen auf den Teller zu bringen. Dabei möchte ich nicht auf Luxus machen oder Gerichte erschaffen, die nach etwas ganz anderem aussehen. Ich möchte das Grundprodukt so wenig wie möglich verändern – deshalb gibt es bei mir auch keine Gewürze. Ich verwende weder Pfeffer noch Nelken, Vanille oder Zimt und auch sonst keine weiteren Gewürze.

Wollen die Gäste wissen, woher ihr Essen kommt?

Die Gäste schätzen es, wenn ich erzählen kann, woher das kommt was sie auf dem Teller haben. Das ist eine Transparenz, die oft vermisst wird. Beim Anbau selber sehe ich den Bauern oder die Bäuerin ein bisschen wie ein Elternteil, der sich um das Wohlergehen des Nachwuchses sorgt. Wichtig ist auch der Respekt vor der Natur: Wir bekommen alles von ihr und müssen ihr nicht einmal Geld dafür geben. Da denkt man sich manchmal, dass man eigentlich öfter Danke sagen könnte. Erst durch die Arbeit auf dem Vetterhof (Anm.: Biobauernhof von Simon Vetter im Vorarlberger Rheintal) und in einer Käserei habe ich verstanden, wie viel Aufwand in einem Produkt steckt. Am längsten ist die Phase, bis du ein Produkt generiert hast. Dann kommt es zum Koch, der es eine Zeitlang im Kühlschrank hat, bis er es verarbeitet. Erst nachdem er es verkocht hat, kommt es zum Gast – und der hat es am kürzesten.

Wir bekommen alles von der Natur und müssen ihr nicht einmal Geld dafür geben. Da denkt man sich manchmal, dass man eigentlich öfter Danke sagen könnte.

Aber nicht nur Herkunft und Herstellung spielen eine Rolle für den Gast – viele verbinden Essen auch mit Erinnerungen. Berücksichtigst du das?

Wenn mir einer sagt: „Das erinnert mich total an meine Kindheit“ und dann den Teller ausschleckt, dann ist das für mich das größte Kompliment. Die Erinnerung ist irgendwo im Hippocampus abgespeichert und das dazugehörige Gefühl kann wieder abgerufen werden. Aber das Wichtigste für mich ist, dass es schmeckt. Ein Gast kommt ein zweites Mal weil es ihm geschmeckt hat und nicht, weil es gesund war – dieser Aspekt kommt danach. Auch der Geruch macht extrem viel aus. Letztens habe ich eine Creme aus Blut gemacht, mit Fichtenharz, Frischkäse und einer mit Zirbenholz geräucherten Rande (Anm.: Rote Beete) – das hat sehr intensiv gerochen. Und Gerüche sitzen so tief wie Erinnerungen.

Du bleibst am Boden, im wahrsten Sinne des Wortes – du lässt dich gerade zur Bäuerin ausbilden. Warum wählst du diesen Weg und gehst nicht in die Spitzengastronomie?

Es fühlt sich für mich ehrlich an. Wäre ich in gewisse Restaurants gegangen, hätte ich mich selbst belogen – und das ist das Schlimmste überhaupt. Durch die Arbeit in der Landwirtschaft habe ich das Bewusstsein erlangt, wie viel Arbeit hinter den Karotten steckt, die man ins Geschäft geliefert bekommt. Außerdem bin ich schon immer freilebend und freiheitsliebend gewesen und wollte mir nie vorschreiben lassen, was ich essen soll. Wenn ich mein Essen selber zubereite, weiß ich, was drinnen ist. Das ist so eine ganz tiefe, innere Sache.

Themenwechsel: Die Kochszene wird von Männern dominiert. Warum?  

Als ich die Lehre gemacht habe, hat es geheißen: „Du bist ein Koch.“ Die Lehre für Köche dauert drei, die für Köchinnen nur zwei Jahre. Dass es in der Spitzengastronomie wenig Frauen gibt, erkläre ich mir so: Jungs brauchen ihr Revier, und mit Punkten und Sternen kann man das abstecken, während Frauen nicht das Gefühl haben, sich bestätigen lassen zu müssen. Viele haben auch keinen Bock auf das Machogetue. Ihnen ist das Gemeinsame, das Miteinander wichtiger. Es gibt so viele geniale Köchinnen, die ein richtig cooles Ding durchziehen, dabei aber nicht auffallen. In der Spitzengastronomie sollte es aber nicht um Punkte und Sterne gehen, deshalb glaube ich, dass langsam auch mehr Frauen in Erscheinung treten werden.

Viele Frauen haben auch keinen Bock auf das Machogetue. Ihnen ist das Gemeinsame, das Miteinander wichtiger.

Gibt es also zu viele Egos in der Branche?

Ich denke, es gibt generell auf der Welt zu viele Leute mit großen Egos. Da sind die Küchen keine Ausnahmen. Während meiner drei Monate in der Käserei habe ich gemerkt, was für ein Knochenjob das ist. Einmal habe ich dem Käser gesagt: Eigentlich sind Köche wie Fußballspieler und Käser wie Hockeyspieler – die haben oft ein recht großes Ego. Durch den Hype sind jetzt auch Köche hoch dekoriert, werden wie Superstars behandelt. Das kann sich auf das Ego auswirken. Aber es gibt auch ein Umdenken. Mein ehemaliger Chef, der Stefan Wiesner, hat uns immer miteinbezogen und in den Mittelpunkt gestellt. Um zu zeigen, dass hinter dem einen auch noch ganz viele andere stecken. Das ist wahre Größe.

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm // Friendship.is, Jana Sabo // Friendship.is 

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